Anmerkungen zur Geschichte von Ex Libris

1. Anfänge

1949 beteiligte sich Gottlieb Duttweiler für die Migros am Buchclub Ex Libris, den er 1956 übernahm. Franz Lamprecht wurde die Geschäftsleitung übertragen (bis 1982). Das Angebot - mit Lizenzausgaben zu günstigen Preisen aus den wichtigsten deutschsprachigen Verlagen - umfasste Literatur, Kunst, Geschichte, Soziologie und Jugendliteratur. Die Übernahme eines Risikoteils ermöglichte die Publikation von Werken junger Schweizer Autoren. So publizierte Ex Libris die "ch-Reihe", um den Kulturaustausch zwischen den vier Sprachregionen zu fördern. In der Reihe "Frühling der Gegenwart" (1979-83) brachte der Verlag in 30 Bänden Neuauflagen von Schweizer Romanen und Erzählungen von 1890-1950 heraus.

Als Ex Libris 1952 begann, Musik zu verkaufen, begann gleichzeitig die Ära der Vinylplatte, die die zerbrechliche Schellackplatte ersetzte. In der ersten Phase wurden die Originalplatten aus England, Frankreich und U.S.A. in von Ex Libris produzierte Hüllen gesteckt. Mit der Covergestaltung wurden Schweizer Grafiker beauftragt.

 

Ex Libris

 

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2. Philosophie

Der Grammoclub wurde gegründet, um qualitativ wertvolle Musik zu günstigen Preisen anzubieten. Schon bald wurde aber das Bedürfnis laut, auch gehobene Unterhaltungs- und Tanzmusik zu veröffentlichen.
Vom Anspruch „Das Volk hat zu kaufen, was in den Regalen steht.“, zum Eingeständnis „Wir haben in die Regale zu stellen, was das Volk kaufen möchte.“, wechselte das Paradigma von 1952 bis 1970 diametral.

 

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In den Regalen stand mit der Einführung der Vinylplatte ausschliesslich Klassik (um dem Anspruch der Kultur zu genügen) und ab und zu Volks- und gehobene Tanzmusik, weil ja etwas Unterhaltung durchaus auch gegönnt wurde. Mit einer sorgfältigen Einführung wurde dem Volk kurze Zeit später auch der Jazz als kulturelle Errungenschaft schmackhaft gemacht.

 

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Ex Libris-Prospekt aus den Fünfzigerjahren

 

Rock’n’Roll, der ja schon 1954 in Amerika Furore machte, war inexistent. Und auch der Schlager war natürlich viel zu seicht, um mit einer Veröffentlichung gewürdigt zu werden.
Sehr schön zeigt das der Ex Libris-Jahreskatalog von 1962, der diese Aufteilung der Angebote zeigt:

Klassik: 20 Seiten (wobei Wienermusik und Operette nicht dazu gehören und in eigenen Abteilungen angeboten werden)

Jazz: 7 Seiten

Schweizer Volksmusik: 3 Seiten

Schlager: eine Drittelseite

 

3. Serien und Labels bei den Singlesveröffentlichungen

Die Veröffentlichungspolitik von Ex Libris zeigt sich auf den ersten Blick etwas chaotisch, weil gleichzeitig mehrere Labelserien liefen. Hier eine Aufstellung, die versucht, etwas Übersicht über die wichtigsten Ausgaben zu schaffen:

Serie
Inhalt
von
bis
Tourenzahl
MMS
Klassische Musik
1953
33 1/3
ML
gehobenrere Unterhaltungsmusik (Wien, Orchestermusik)
1954
1957
33 1/3
POP
leichtere Unterhaltungsmusik
1954
1957
33 1/3
Jazztone
Jazz
1954
1957
33 1/3
Blue Note
Jazz
33 1/3
GC-400
Kunterbunt (Volksmusik, Schlager, Jazz, Tanzmusik, Cabaret)
1956
1962
33 1/3
GC-4500
Kunterbunt
1958
1964
45
GC-4400
aktuelle Schlager, Zweitinterpreten)
1959
1961
45
GC-4200
EP's
45
20'000er
aktuelle Hits mit Originalinterpreten
1965
1967
45

 

 

 

4. Covergestaltung

Die ersten Klassik-Singles erschienen in einem unattraktiven graphischen Cover.Als man später die ersten Unterhaltungssingles veröffentlichte, und sie in graubraune Hüllen steckte, merkte man sofort, dass die optische Präsentation auch wichtig war. So wurden Grafiker und Künstler beauftragt, attraktivere Hüllen für die Platten herzustellen.
Der Künstler Heinz Stieger schuf die einprägsamsten Covers. Seine Bilder sind an der schwungvollen Strichführung leicht zu erkennen. Stieger, 1917 geboren und in Zürich lebend, war Legionär, Gärtner, Hofzeichner, Schriftenmaler, bis er schliesslich als freischaffender Grafiker die optische Präsentation der Ex Libris-Schallplatten übernahm.

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Dank Schachspiel und täglichem Zeichnen blieb Stieger bis ins hohe Alter geistig rege. Er gestaltete zum Beispiel 2006 die Kasperli-Briefmarke. Heinz Steiger starb 2008 im Alter von 91 Jahren.

 

6. Eigene Erfahrungen
Die Verkaufspolitik von Ex Libris widerspiegelte den grundlegenden Wechsel, den die Gesellschaft in den in den Fünfziger- und Sechzigerjahren vollzog.

Aus eigener Erfahrung (ich war damals Seminarist und wollte Lehrer werden) kann ich den damals herrschenden Geschmacksterror nur bestätigen. Jahr für Jahr wurde mir auf Weihnachten die obligaten Brahms oder Berlioz aufgenötigt, währen ich abends im Zimmer den aufregenden Klängen von Radio Luxemburg oder dem deutschen Freiheitssender 904 lauschte.
Wenn man heutzutage durch die Brockenhäuser streift, bekommt man diese Tatsache bestätigt: Da liegen bleischwer ungespielte Klassikplatten von Ex Libris in den Regalen, während Tausende von Vinylfreaks in der Schweiz hinter der einzigen Rolling Stones-Platte, die einigermassen unabgenudelt und nicht mit total zerrissenem Cover die aufregende Zeit überstanden hat, her sind. Und sie haben sie bis heute noch nicht gefunden!
Mein Götti hatte an Weihnachten 1966 ein Einsehen, drückte mir 20 Fr. in die Hand und sagte: Kauf dir deine Platte selber!
Als ich kurz darauf mit den Yardbirds aufkreuzte, kam er ganz aufgeregt mit der Frage in mein Zimmer: Was ist denn das für ein Instrument, das so in die Luft sägt. Die Gitarre von Jeff Beck, gab ich zur Antwort und er schüttelte begreiflicherweise den Kopf. Nicht wegen des Lärms, wie er es nannte, sondern wegen des Musikgeschmacks eines angehenden Lehrers.
In diese Zeit fiel auch die Langspielplattenserie mit den 25000er Nummern (25001 bis 25187) bei Ex Libris. Hier ist der Wechsel im Angebot ganz deutlich zu sehen: Von den ersten 30 Platten der Serie gehören 23 noch zum klassischen Sektor, während bei den 30 letzten keine einzige klassische mehr drunter ist. Alle Platten haben die Bezeichnung "Club Edition" auf Hülle und Platte erschienen ab und zu sogar mit alternativen Covers.
Der erste Hammer ist die 25014, die erste Stonesplatte (Was muss das Ex Libris für eine Überwindung gekostet haben!) und der zweite Knaller die 25037, die erste Elvisplatte überhaupt, die Ex Libris veröffentlichte. Und das 1965, mehr als zehn Jahre nach seinem Debut! Vor allem die Platten mit den einzigartigen Covers sind sie weltweit gesucht und werden zu astronomischen Preisen gehandelt. So wechselte vor einigen Jahren die besagte Elvisplatte, im Volksmund wegen des knallgelben Covers Golden-Boy genannt, für beinahe 5000 (damals noch) DM den Besitzer. Aber auch die restlichen Stones-LP's und die Beatles-Help-LP mit dem Strandcover sind im Original sehr gesucht und erzielen regelmässig Spitzenpreise. Vom Beliebtheitsgrad zeugt die Tatsache, dass diese LP's in den Neunzigerejahren als inoffizielle Nachpressungen illegal wiederveröffentlicht wurden.

 

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7. Kleber, ein unerschöpfliches Thema

Etwa zur gleichen Zeit wurde auch der Singlesmarkt aktualisiert. Ex Libris übernahm von den bekanntesten Labels die grossen Hits, gab den Platten eine neue Nummer und die Bezeichnung "Club-Edition" auf Platte und Hülle. Die bekannteste Serie ist diejenige mit den Nummern 20 001 bis 20 078.
Während man zu Anfang die Platten mit eigenen Club-Edition-Labels versah und auf die Hüllen die neuen Bezeichnungen aufdruckte, gab man sich später mit Klebern zufrieden, auf denen die entsprechenden Nummern und Angaben aufgedruckt waren. So ergeben sich eine Vielzahl von Varianten, was auch dazu beiträgt, dass man in auf diesem Sammelgebiet immer wieder Neuentdeckungen machen kann. Leider wurde oft ein Klebstoff verwendet, der seine Klebfähigkeit bald aufgab, so dass die meisten Kleber mit der Zeit eigene Wege gingen. Sie hinterliessen jedoch Kleberrückstände, die dann jeweils auf die Art des verwendeten Klebers schliessen lassen.

 

Hier ist eine Auflistung der bekanntesten Kleber, mit denen die Singlescover versehen wurden:

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häufiger Kleber bei Singles und LP's

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gebräuchlichster Kleber,
verschiedene Beschriftungen
selten gebrauchter Kleber
selten gebrauchter Kleber
selten gebrauchter Kleber
 
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Dieser Kleber wurde über die linke Coverkante auf die Rückseite gezogen
Dieser Kleber wurde bei Beatles-Singles verwendet.
Wurde hauptsächlich bei LP's, vereinzelt aber auch bei EP's verwendet. Dieser Kleber wurde über die obere Coverkante gezogen.
abgerundete Ecken
Version 1
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abgerundete Ecken
Version 2
abgerundete Ecken (auch mit Nummernangabe oben oder unten) Version 3
seltener schwarzer Kleber